Altes Handwerk in der Schule


Harald Schulz zeigt den Setzkasten der historischen Druckerei.

 

STADE. Im Keller der Integrierten Gesamtschule am Hohenwedel verbirgt sich ein besonderer Schatz: Die historische Druckerei, die mehr als 20 Jahre im Technikmuseum an der Freiburger Straße untergebracht war, hat hier seit ein paar Monaten eine neue Heimat gefunden. Die Ehrenamtlichen des Stader Vereins Historische Druckereiwerkstatt Cicero e.V. erhalten die jahrzehntealten Maschinen und erklären Schülern, wie bis vor 30 Jahren mit Hilfe von bleiernen Buchstaben ganze Bücher und Zeitungen hergestellt wurden.

Diverse Regale voll mit Setzkästen und mannshohen Druckmaschinen füllen einen großen Kellerraum im Gebäude der IGS. „Das ist die Grundausstattung einer Druckerei“, sagt Reinhard Bardoux. Mitte der 1980er Jahre kaufte er zusammen mit seinen Mitstreitern, einer kleinen Gruppe von Schriftsetzern und Druckern, Teile des heutigen Bestandes und brachte sie vorübergehend in einer Scheune in Nottensdorf unter. Hier druckten sie für Freunde Grußkarten, Flugblätter und Plakate.

Damals begann ein großer Umbruch im Druckgewerbe: Der Bleisatz hatte ausgedient, Offset-Druck war angesagt. „Hätten wir sie nicht übernommen, wären die Setzkästen und Maschinen eingeschmolzen oder in den Ostblock gebracht worden“, erzählt Reinhard Bardoux. Doch das wollte er auf keinen Fall zulassen. „Wir möchten das Druckhandwerk erhalten. Das Wissen über die alte Technik des Buchdrucks darf nicht verloren gehen.“ Die Erfindung der Druckerpresse durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert bezeichnet der Experte, der etliche Jahre in der Produktion der Wochenzeitung „Die Zeit“ arbeitete, als „Revolution und gewaltige kulturelle Leistung“, die bis heute nachwirke.

Aus der Sammlung von alten Geräten, die ihnen regionale Druckereien stifteten, wurde ein kleines Museum. Immer mehr Maschinen kamen hinzu. Ehrenamtlich kümmern sich die Fachleute damals wie heute liebevoll um ihre Schmuckstücke, halten sie nach wie vor funktionsfähig.

1990 zog die Druckerei ins Technikmuseum nach Stade um. Aus ganz Norddeutschland kamen die Besucher in die Stadt an der Schwinge, um sich die historischen Gerätschaften anzusehen und die Geschichte des Buchdrucks, die Reinhard Bardoux und seine Mannschaft in einer Ausstellung zeigten, nachzuvollziehen. Nachdem das Museum geschlossen wurde, gründeten die inzwischen pensionierten Drucker und Schriftsetzer den Verein Historische Druckwerkstatt Cicero e.V., um die Zukunft ihrer Sammlung sicherzustellen.

Gemeinsam mit der Stadtverwaltung machten sie sich auf die Suche nach neuen Räumlichkeiten und wurden schließlich im weitläufigen Keller der IGS fündig. Ein Kran hievte die tonnenschweren Maschinen im Herbst in das Gebäude, Freiwillige der Jugendbauhütte halfen bei der Einrichtung des Raumes mit tragfähigen Regalen, die fortan die Setzkästen beherbergen. Jeden Montag bekommen die Pensionäre Besuch von Fünftklässlern, die sich in die Kunst des Druckens einweihen lassen.

Die Jugendlichen lernen, dass die Bleibuchstaben im Setzkasten nicht nach dem Alphabet, sondern nach der Häufigkeit ihres Einsatzes geordnet sind. Zum Erstellen der Druckvorlage werden sie spiegelverkehrt angeordnet. Als die Kleinen zum ersten Mal in die historische Druckerei kamen, eröffnete sich für sie eine völlig neue Welt. „Die Kinder sind mittlerweile total begeistert und hochkonzentriert bei der Sache“, berichtet Reinhard Bardoux. „Sie wollen unser altes Handwerk wirklich lernen“, freut er sich. Kürzlich kamen 130 Viertklässler aus den Stader Grundschulen, um die Druckwerkstatt bei einem Schnuppertag kennenzulernen.

Wer die historische Druckerei unterstützen möchte, wendet sich an Reinhard Bardoux unter 0 41 41/ 8 32 51.

Stader Tageblatt, 19.7.14