Die Schüler planen ihren Unterricht mitVON BIANCA WILKENS Hamburger Abendblatt, 17. Juni 2010 Zwei neue Gesamtschulen sollen in wenigen Monaten in Buchholz und Stade an den Start gehenSTADE/BUCHHOLZ. - Nur noch wenige Monate, dann gehen die neuen Gesamtschulen in Buchholz und Stade an den Start. Beide Einrichtungen haben gemein, dass Schüler mit Empfehlung für Gymnasium, Real- und Hauptschule gemeinsam unterrichtet werden. Wie das im Einzelnen funktioniert, haben die Planungsgruppen der neuen Schulen in den vergangenen Monaten ausgeklügelt. Die Konzepte ähneln sich stark, auch wenn die Planer der Buchholzer und der Stader Gesamtschule unterschiedliche Einrichtungen aus Deutschland zum Vorbild genommen haben. Im Kern setzen die Lehrer darauf, dass die Schüler mit ihren unterschiedlichen Begabungen voneinander profitieren. "Wir machen keinen Einheitsbrei, sondern versuchen den unterschiedlichen Begabungen der Schüler Rechnung zu tragen", sagt Jörg Moser-Kollenda, Leiter der Planungsgruppe der IGS Stade. Dass leistungsstarke Schüler mit weniger begabten Schülern zusammen lernen, wird nicht als Bedrohung, sondern als Chance gesehen. "Je unterschiedlicher, desto besser", sagt Holger Blenck von der Planungsgruppe der Buchholzer Gesamtschule. Das Prinzip klingt banal: Die cleveren Schüler erklären den schwächeren etwas, und davon haben am Ende beide Kinder etwas. "Wenn die Schüler etwas selbst erläutern müssen, sitzt es richtig. Dann haben sie es selbst verstanden", sagt Blenck. Die Befürchtung vieler Eltern, begabte Kinder sollen lediglich Zugpferde für Schüler mit Lernschwächen sein, weist er zurück. "So ein intensives Lernen wie mit weniger begabten Kindern erfahren die leistungsstarken Schüler nicht, wenn sie mit Kindern ihres Levels zusammenarbeiten." Damit das kooperative Lernen wie es im Fachjargon heißt funktioniert, geht die Stader Gesamtschule sogar so weit, feste Tischgruppen aus stärkeren und leistungsschwächeren Schülern einzurichten. Die Kinder lösen Aufgaben gemeinsam. Damit das auch klappt, gibt es in den Klassen regelmäßige Teamtrainings. Alle sechs Monate wird über Erfolg und Misserfolg der gemeinsamen Arbeit auf Elternabenden gesprochen. Außerdem setzt die Stader Schule in ihrem Programm auf Lernbüros für Deutsch und Mathematik. Das haben sich die Organisatoren von der preisgekrönten Max-Brauer-Schule in Hamburg abgeschaut. Im Lernbüro planen die Schüler quasi den Unterricht mit. Den Kindern wird vorweg genau beschrieben, was sie im Laufe des Schuljahres lernen sollen. Gemeinsam mit den Lehrkräften vereinbaren die Schüler dann je nach Leistungsniveau Wochenziele. So ergeben sich sehr individuelle Arbeitspläne. In der Stader wie in der Buchholzer Schule sollen persönliche Logbücher zum Schulalltag gehören, in dem Lernfortschritte eingetragen werden. "Dadurch machen sich die Schüler selbst Gedanken über das eigene Lernen", sagt Blenck. m Ende verlassen die Schüler die Schulen mit einem Hauptschul-, Realschulabschluss oder mit dem Abitur in der Tasche. Die Hochschulreife können sie entweder schon nach zwölf oder auch nach 13 Jahren erwerben. Ganz wie auf einer Schule im dreigliedrigen Schulsystem. Einen wesentlichen Unterschied zu den anderen Schulformen gibt es aber: Noten sind bis zur achten Klasse tabu. Statt Zeugnisse gibt es "Lernentwicklungsberichte". Mit einem regelrechten Run reagieren die Eltern auf die neuen Schulangebote. Blenck rechnet mit mehr als 400 Anmeldungen. Wie hoch das Interesse für die IGS Stade ist, stellt sich nächste Woche heraus. Aber der Planungsgruppenleiter Moser-Kollenda, dass die Anmeldezahlen die verfügbaren Plätze von 150 bei weitem übersteigen werden. Das heißt: Das Los muss entscheiden. Drei Lostöpfe werden gebildet. Dabei ist allerdings nicht die Schullaufbahnempfehlung, sondern die Notensumme für die Fächer Deutsch, Mathematik und Sachunterricht maßgeblich. In den Lostopf eins geraten zum Beispiel die Schüler mit der Notensumme drei, in Lostopf zwei mit der Notensumme fünf und Lostopf drei mit der Summe sieben. Haben etwa 35 Prozent der Schüler Notensumme drei, werden auch 35 Prozent der Plätze an der IGS an solche Schüler vergeben. Damit soll gewährleistet werden, dass der Mix der Schüler der Zusammensetzung an den Grundschulen in Stade und Buchholz gleich kommt. |