STADE. Die Wilhelmine von Stade ist wieder auf Schwinge und Elbe unterwegs. Der mehr als 100 Jahre alte Ewer gehört einem gemeinnützigen Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Jugendlichen das Segeln und die traditionelle Seefahrt nahezubringen. Um die Unterhaltskosten des Schiffes zu decken, bieten die Ehrenamtlichen Gästefahrten an. Damit ist die Wilhelmine zu einer maritimen Attraktion der Hansestadt Stade geworden, die inzwischen auch viele Postkarten ziert. Doch in diesem Jahr startete die Saison außergewöhnlich spät; erst Mitte Juli unternahm die Besatzung ihre erste Ausfahrt. Zuvor waren umfangreiche Sanierungsarbeiten nötig; die Ehrenamtlichen erneuerten die Elektrik und verpassten dem Schiff neue Segel. Möglich macht das eine großzügige Spende des Stader Dow-Werks. Drei Jahrzehnte hatten die Segel der Wilhelmine bereits auf dem Buckel, erzählt Maike Mecklenburg vom Förderverein. „Sie wurden schon zig Mal genäht und geflickt. Am Ende fielen sie schon bei kleineren Stürmen zusammen.“ An einer Neuanschaffung führte also kein Weg vorbei. Doch nicht jeder Segelmacher ist in der Lage, die Ausstattung für ein Traditionsschiff herzustellen, das bereits mehr als 100 Jahre auf dem Buckel hat. Die Segel der Wilhelmine haben eine spezielle Form und sind daher besonders teuer. Da die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen des Vereins und den Gästefahrten lediglich die Versicherungs- und Liegegebühren decken, waren die Ehrenamtlichen bei der Finanzierung ihres ehrgeizigen Vorhabens auf einen Spender angewiesen.
Unterstützung bekamen sie vom Stader Dow-Werk. Das Chemieunternehmen
schüttet seit 2005 jährlich 100 000 Euro aus, die in die Förderung von
gemeinnützigen Zwecken fließen. Das Spendenprogramm richtet sich an
Organisationen, die sich in den Bereichen Bildung, Umwelt oder Soziales
engagieren. Alle Einrichtungen und Vereine, die sich um eine nachhaltige
Verbesserung der Lebensqualität in puncto Umweltschutz, Bildung oder
Soziales in der Region Stade verdient machen, können sich um eine
Finanzspritze von bis zu 15 000 Euro pro Organisation bewerben. Eine
siebenköpfige Jury, besetzt mit drei Vertretern der Dow und vier
unabhängigen Stader Bürgern, entscheidet dann, ob und in welcher Höhe
eine Förderung erfolgt. „Vor allem die Arbeit mit Jugendlichen macht das Projekt sehr attraktiv für eine Förderung.“ Andreas Drath weiß, wovon er spricht, schließlich ist er selbst Mitglied im Förderverein; sein Sohn gehört der Stammcrew des alten Ewers an. Seit 1981 kümmern sich Jugendliche unter der Anleitung von erfahrenen Seglern um die Wilhelmine; mühevoll restaurierten Stader Schüler das alte Schiff. Zurzeit ist die Arbeitsgemeinschaft zur Pflege des Elbewers an die Integrierte Gesamtschule am Hohenwedel angegliedert. Etwa 30 junge Menschen widmen dem Segler einen großen Teil ihrer Freizeit, berichtet Fördervereinssprecherin Maike Mecklenburg. Unterstützt werden sie von zehn Erwachsenen. Gemeinsam erneuerten sie im Frühjahr die komplette Elektrik und Innenausstattung des Schiffes. Damit sie sich selbst ein Bild von der Qualität der neuen Segel machen können, lud die Wilhelmine-Crew die Vertreter der Dow vergangene Woche zu einer Ausfahrt auf der Elbe ein. Los ging es am frisch erneuerten Anleger Stadersand; der Wind trieb den Ewer und seine Besatzung durch das Naturschutzgebiet an der Haseldorfer Binnenelbe. Und die insgesamt 180 Quadratmeter Segeltuch, die der Harburger Segelmacher Raap vierlagig verstärkte, bestanden den Test. Die Wilhelmine ist wieder voll einsatzbereit. „Wir hoffen, dass der frische Stoff nun mindestens die nächsten 30 Jahre hält“, sagt Maike Mecklenburg mit einem Lächeln auf den Lippen. Noch in diesem Sommer wird eine Delegation des Vereins für eine dreieinhalbwöchige Tour nach Schweden aufbrechen und dort in Stades Partnerschaft Karlshamn die örtlichen Seepfadfinder besuchen. Die Gruppen lernten sich während der letzten Schwedenwoche im Sommer vorigen Jahres in Stade kennen. Auch die Touristen können sich freuen, denn ab sofort bietet die Wilhelmine-Crew wieder Tagestörns auf dem alten Segler an. Stader Tageblatt, 05.07.14
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